Montag, 18. Februar 2013

Zwischen den Fronten

Gestern Abend lief im ORF 2 eine Folge des Tatort, die in Österreich spielt. Der Plot ist schnell erzählt: Ein junger Iraker, Aktivist für Bürgerrechte, sprengt sich vor den Toren einer UNO-Konferenz in die Luft. Schnell wird vermutet, er sei ein islamistischer Schläfer. Während der Ermittlungen stellt das Polizei-Duo fest, dass der Verfassungsschutz in das Attentat verwickelt ist, um härtere Sicherheitsgesetze durchzusetzen. Die Spuren führen zu einem Verein, der Dollfuß und die Vaterländische Front verherrlicht und Mitglieder in den höchsten Beamtenebenen im Innen- und Verteidigunsministerium hat.


Bis kommenden Sonntag kann man die Folge hier nachsehen.

Der Tatort zeichnet ein sehr düsteres, gerade zu erschreckendes Bild vom Österreichischen Verfassungsschutz. Aber nur scheinbar.

Die Kategorisierung von rechtsextrem motivierten Attentaten als solche, wie etwa vor kurem in Vorarlberg findet oft trotz oft erdrückender Beweise nicht statt. Stattdessen wird von "unpolitischen" Taten ausgegangen. So auch bei jedem Mann aus Traun, der auf seine rumänischen Nachbarn schoss. Von ihm verfasste Briefe strotzt nur so von rechtsextremen Äußerungen. Trotzdem wurde dieser Fall als Nachtbarschaftsstreit abgelegt.

Das zeigt sich auch im Verfassungsschutzbericht*. Dort wird trotz steigender Zahl rechtsextremer Delikte behauptet:
"Der Rechtsextremismus stellte im Jahr 2010 keine ernsthafte Gefahr für den Staat bzw. die Verfassung oder eine Bedrohung der inneren Sicherheit dar.“
Und als ob das noch nicht reichen würde, verkehren Beamte des Verfassungsschutzes in Oberösterreich mit Neonazis - allerdings nicht beruflich, sondern privat. Die haben dann auch prompt übersehen, dass sich in Desselbrunn eine bewaffnete Neonazi-Zelle geformt hat. Und auch sonst gibt es ein paar ungewöhnliche Verbindungen zur rechtsextremen Szene.

Ein weiteres Thema ist der Überwachungsstatt. Im Tatort sollen in Folge des Attentates die Sicherheitspolizeilichen Gesetze verschärft werden. Auch das ist nicht aus der Luft gegriffen. Immer wieder wurden Attentate als Vorwand verwendet, um der Polizei mehr Befugnisse zu geben. Nachdem sich Franz Fuchs ohne Gefahr der Verhaftung durch Österreich gebomt hatte, wurde die Rasterfahndung beschlossen. Diese wurde zwar seit dem nicht verwendet, wohl aber der Lauschangriff, etwa während der Operation Spring oder dem Tierschützerprozess. Erfunden wurden diese Systeme in Deutschland, als die Polizei versucht, der RAF Herr zu werden. Bereits beschlossen ist auch die Vorratsdatenspeicherung - und die wird auch rege genutzt. 

Anders als im Tatort wurde in Österreich noch kein Attentat durch den Verfassungsschutz vorgetäuscht. Allerdings gab es in den 1950er Jahren Bestrebungen, dies zu tun - so die Kommunisten in Österreich an die Macht kämen. In Italien hingegen verübten Mitglieder rechtsextremer Gruppen munter Terroranschläge und schoben die Schuld dann linken Gruppierungen zu. Und auch die Thematik der rechtsextremen V-Männder, die vom Verfassungsschutz geschütz werden, haben einen realen Hintergrund, wenn auch nur in Deutschland: Dort hatte der Verfassungsschutz über V-Männer sogar Aktivitäten des nationalsozialistischen Widerstandes finanziert. Bilanz der NSU: 10 Tote.

Und die Dollfuß-Nostalgie? Die zieht sich bis ins Parlament. Bis zum heutigen Tag hängt in den Räumlichkeiten des ÖVP Parlamentsklubs ein Portrait des Austrofaschisten. Und dass Altnazis in Ministerien und auch sonstwo ungestört Karierre machen konnten, ist auch kein Geheimnis.

Der Plot des Tatort - er ist alles andere als reine Fiktion. Und das ist eigentlich sehr erschreckend.

*Die Zahlen und Zitate beziehen sich auf den Verfassungsschutzbericht 2011.